eine subjektive Stellungsnahme mit ohne Hashtag#metoo
Wieder ein neuer Artikel zum alten Thema, und ich frage mich ganz ehrlich und irritiert, warum sich die Empörung nur sauber reflektiert in meinem Hirn zeigt statt auch mein Herz aufzuwühlen wie bei anderen Ungerechtigkeitsthemen. Dass den Damen auf so mancher Milonga regelrecht verboten wird, einen Tänzer aufzufordern zum Beispiel – da geh ich innerlich an die Decke, Blutdruck und Atemfrequenz steigen, Muskeln spannen sich kampfbereit. Höre ich die Schilderungen und Forderungen aus dem genannten Artikel, stellt sich bei mir nur ein emotional gleichgültiges „Ja mei, kommt halt drauf an...“ ein, obwohl ich versuche, adäquaten Zorn hervorzupumpen. Und das gibt mir schon zu denken. Ich bin doch so emanzipiert...
Mein Großhirn stimmt den Thesen durchaus zu:
Ja, es ist zum Kotzen, dass Frauen schlechter bezahlt werden. Ja, es ist zum Kotzen, dass Frauen schlechtere Aufstiegschancen haben.
Das kann aber viele verschiedene Gründe haben. Undifferenzierte Globalbetrachtungen bringen nicht weiter.
„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist ein toller Spruch, allerdings in manchen Branchen (wie der Pflege etwa) ein Hohn, da dort eh fast nur Frauen arbeiten. Die Bezahlung im Sozialsektor ist unterirdisch. Der Grund, warum Männer in diesen Bereichen nicht mitspielen? Oder würde auf sozialen Arbeitsfeldern eine Männerquote helfen? Irgendjemand muss doch diese Arbeit am Menschen leisten! Können wir – Männer und Frauen – das nicht gemeinsam tun und einigermaßen annehmbar verdienen? Ansonsten hilft nur Branchenwechsel.
Heute wird uns Frauen zwar lang und breit das Märchen von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorgelogen, das aber nur sehr, sehr wenige PrivilegiertInnen mit entsprechend geldigem Background im echten Leben umsetzen können. Das ist wie mit dem Prinzen auf dem Schimmel...
Der Rest findet sich in der hübschen, logischen, gewohnt-normalen Folge: Daheim bleiben bei den Kindern bedeutet konkret weniger Jahre im Beruf, um Erfahrung und Kompetenzen zu sammeln, was natürlich die Karriere- samt Verdienstmöglichkeiten beschneidet. Während die Männer beruflich reifend und frei von „kindlichem Ballast“ an ihnen vorbeiziehen und aufsteigen. Dazu müssen die Herren der Schöpfung nicht mal besonders ehrgeizig sein, sie sind halt einfach DA! In der Firma.
Die Frauen gehen, solange der Nachwuchs klein ist, oft in Teilzeit. Nicht freiwillig, sondern weil sie müssen. Irgendjemand muss sich ja um die Kinder kümmern. Soweit ich das im Bekanntenkreis beobachte, sind es eben nur in Ausnahmefällen auch die Väter. (Dafür werden sie als Superhelden gefeiert, aber das ist ein anderes Thema.) Ist Teilzeit in der bisherigen Firma nicht möglich, bleiben oft nur schlecht bezahlte Aushilfsjobs, die im Lebenslauf auch nicht gerade karriereförderlich daherkommen. Aber zumindest ein bissel Kohle bringen. Vom Elend vieler Alleinerziehender will ich gar nicht erst anfangen. Oder von den Rentenansprüchen...
Ich erlebe immer wieder, dass Frauen nicht mal ihre Arbeitsverträge durchlesen, bevor sie unterschreiben, geschweige denn einen Überblick über ihre und die familiären Finanzen haben. Dazu fehlt oft die Traute, hart zu verhandeln, als wäre die Forderung nach einer gerechten Entlohnung etwas Unanständiges.
Frauen scheinen meiner Erfahrung nach dazu zu neigen, den Geldwert ihrer Leistungen wesentlich niedriger einzuschätzen als Männer das tun. Willst du günstiger heilpraktisch oder sonstwie therapeutisch behandelt werden, geh zu einer Frau.
Manche meiner Geschlechtsgenossinen wollen zwar so viel wie die Männer verdienen, sich aber nicht dafür anstrengen. Aber a bissele Biss braucht's halt schon. Vielleicht doch mal fortbilden, umziehen, pendeln, (kinderlos) eine 40-Stunden Woche in Kauf nehmen, hm?
Und manchmal gibt es halt keinen anderen Grund für die Höhe der Entlohnung als das Geschlecht des Arbeitnehmers. Und das geht gar nicht! Hier lohnt es sich wirklich zu kämpfen.
Die Abwertung von Frauen im Beruf
Auch wenn mich meine Geschlechtsgenossinnen gleich teeren und federn werden, muss ich's loswerden: Manchmal seid ihr selber schuld, wenn euch keiner ernst nimmt!
Mit Häschenblick und Fieselstimmchen einen Antrag vor versammelter Männerhorde durchzubringen ist illusorisch! Sagt ihr im Beruf auch (wie im Tango, wenn ihr aufgefordert werdet): „Ich bin fei noch Anfängerin. Willst du dir das wirklich antun?“
Oder die Damen, die sofort reflexartig „Jawoll“ nicken und umsetzen, nur weil ein Mann das angeschafft hat? Weil Männer sind ja so gescheit. Da wird der Plan – und sei er noch so bescheuert – vor den Kolleginnen verteidigt, durchgekämpft mit sieben Messern wie vom Räuber Hotzenplotz. Blut wird fließen, aber ich schwöre – nicht das des männlichen Vollpfostens.
Der ständige Rechtfertigungsdrang ist auch nicht gerade förderlich, wenn man ernst genommen werden möchte. Deinen Chef interessiert es nicht, ob deine Katze Diabetes hat oder im Kindergarten das Kürbisfest ansteht. Und den männlichen Kollegen lieferst du mit solchen Aussagen eine Steilvorlage für „Frauen können's halt nicht besser, so emotional, wie die sind.“
Ist euch bewusst, welche Kultur ihr da pflegt?
Die Frauen, die einfach nur professionell ihre Arbeit tun möchten, leiden unter euren Verhaltensweisen! HIER wäre weibliche Loyalität angebracht.
Sexuelle Anzüglichkeiten
Wenn ihr aufgebrezelt im Miniröckelein stöckelbeschuht am Kollegentisch vorbeiwackelt, müsst ihr halt mit anzüglichen Kommentaren rechnen. Das ändert sich nie, alte Krankenschwesternerfahrung. Sogar wenn einer nimmer selber bieseln – geschweige denn stehen – kann, probiert er's. Und Schwesternkittel sind nun wirklich nicht der Erotik letzter Schluss. Wohl wissend zwar, dass (wahrscheinlich?) nix geht, aber sportlich gesehen will Mann wohl in Übung bleiben. Wofür ist mir zwar nicht klar, aber das ist halt so ein Männerding. In der Konstellation „knuspriger Pfleger – betagte Dame“ konnte ich nie Vernaschungsversuche beobachten. (Außer, es wurden bestimmte Narkosemittel verabreicht. Dann könnte es passieren, dass Madame im Rauschzustand den Krankenbruder rollig anschnurrt.)
Gegen sexuell gefärbte anzügliche Übergriffe hilft nur – egal ob in Minirock, Pflegekittel oder Blaumann – ganz direkt gutmenschsprechfrei kontern. Möglichst in Zwei-Wort-Sätzen wie „Pfoten weg!“ Dann sind die Kerle im ersten Moment ein wenig verstört, aber selten beleidigt.
Wenn aber Macht und Sex zusammenspielen,
kommen wir in höchst problematische Zonen. Das lässt sich nicht mehr mit einfachen Sprüchlein abwenden. Trotzdem frage ich mich, ob sich der Prozess nicht schon im Vorfeld angedeutet haben könnte? Etwa so, wie wenn eine Frau eine Beziehung mit einem routinierter Verzupfer (Seitenspringer) eingeht und meint, sie könne ihn ändern: „Bei mir wird er treu sein“ – mit rosaroten Herzerln in den Pupillen.
In der klassischen Kombination „Chef und abhängig Angestellte“ sind die Chancen gewaltig, dass die Frau verliert: Ansehen, Geld, Arbeitsplatz, Karrierechancen... Vom Schaden am Selbstbild ganz zu schweigen, der zusätzlich von Frauen-Vorwürfen „Sie hat es doch provoziert“ genährt wird. Und jetzt werde ich doch richtig grantig: Denn egal, ob sie hätte ahnen können, worauf sie sich einlässt oder nicht, solche feudalherrschaftlichen Verhaltensweisen sind echt das Letzte. Und es gibt inzwischen genug Männer, die diese krassen Spitzen ebenso verurteilen.
Dagegen können wir nur gemeinsam anstinken – Männer UND Frauen. Und vielleicht sind die Männer dann eher bereit, selber was im Kleinen, im persönlichen Umfeld – beruflich und privat – zu Gunsten der Frauen zu ändern. Denn genau dort im Fußvolk, in der „normalen“ Umgangskultur zwischen uns allen, ist der gesellschaftliche Nährboden für solche grauslichen Einzel(?)-Auswüchse. Das gilt auch für das Miteinander im Tango!
Interessant dazu die männliche bzw. "Jungs-" Sichtweise, siehe hier: http://www.jetzt.de/maedchenfrage/jungs-was-macht-der-hashtag-metoo-mit-euch
Fazit:
Wenn wir gesellschaftlich die Stellung der Frauen verbessern wollen, müssen sich meiner Meinung nach alle bewegen. Und da die Männer momentan verständlicherweise etwas weniger motiviert sind, manche ihrer Privilegien aufzugeben, dürfen wir sie ein bissel nerven, niedrig dosiert mit Retardwirkung über einen langen Zeitraum. Darin sind wir doch routiniert. Aber besser auf den Geist gehen mit ernst zu nehmendem (erwachsenem) Verhalten, wohldosiertem Gendersprech und sachlichem, auf genau den Mann, mit dem wir es gerade zu tun haben, zugeschnittenen Inhalten statt Gejammer.
Wie siehst du das?
Herzliche Grüße und bis bald,
Manuela Bößel
P.S. Aus männlicher Sicht auf das Thema schreiben gerade meine Blogger-Kollege Peter Ripota:
http://ya0m.r.bh.d.sendibt3.com/33jgwvw17fl.html
und Gerhard Riedl: http://milongafuehrer.blogspot.de/2017/10/haschmich-tags.html
Um diesen Artikel geht es (Jeanette Gusko am 19.10.2017 auf Xing)
https://www.xing.com/news/klartext/wie-oft-mussen-wir-frauen-noch-offentlich-aufschreien-2171
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