Herz, bist du zu sprechen?



"Soll man sein Herz bestürmen: 'Herz, sprich lauter!',
da es auf einmal leise mit uns spricht?"

fragt Dr. Erich Kästner in seiner "Lyrischen Hausapotheke".

Ich sage: JA!
Unbedingt, das ist gesund und kann deinen Blutdruck senken.
Als weitere feine Nebeneffekte kann ich dir eine bessere Immunabwehr, mehr Gelassenheit und Energie für die Anforderungen des Alltags nennen. Auch dein Schlaf wird sich sehr wahrscheinlich verbessern.

... und im Tango eröffenen sich mit offen sprechendem Herzen ganz neue Dimensionen!

Wie? Häh?
Kommt jetzt wieder so ein komischer Esoquatsch aus der Heilpraktiker-Ecke? 

Liebes Großhirn

nein, sei beruhigt.
Es liegen saubere, hochwissenschaftliche Studien vor.

Lange Zeit glaubte man, du würdest die körpereigene Pumpmaschine steuern. Dass das Herz wie eine kleine Neuronalkonkurrenz - und dazu eigenständig - agieren kann, mag dir unbequem erscheinen, erfüllt aber durchaus seinen Zweck.
Gefühle kommen immer als Körperempfindungen daher. Du dagegen wohnst ganz oben, bist in der Lage, diese zu bewerten, zu interpretieren und Handlungsempfehlungen herauszugeben.

Aber fühlen kannst du nicht. Deswegen klappt's auch nicht mit dem Tangotanzen.

Das Herz dagegen, eingebettet mitten im Gefühlsgeschehen weiter unten, schon. Ganz direkt nimmt es Veränderungen wahr und ist in der Lage - ohne Rücksprache mit dir als Steuerungszentrale - seine eigene Funktion zu regulieren. Das geschieht über herzeigene Hormone und Andockstellen für systemische Botenstoffe wie z.B. Adrenalin oder Oxytocin.

Manchmal scheint es dann, als könnte es in die Zukunft sehen, da es Veränderungen viel schneller spürt als du dort droben. Es ist in der Lage, dir wertvolle Einschätzungen liefern und dich wohl mehr beeinflussen, als du dachtest.

Wenn Herz und Hirn miteinander sprechen, geht es dem Herz-Hirn-Besitzer gut.


Das Herz kann sogar wie du lernen, auf bestimmte Erfahrungen ähnlich zu reagieren. So wirkt es nicht nur selbstbezogen, sondern beeinflusst auch dich, liebes Großhirn, und in der Schleife das komplette System: den ganzen Menschen! Im guten Sinne sowie umgekehrt: seine ungünstigen Verhaltensweisen (Herz-Chaos) sind beeinflussbar. Dein Herz kann sich die Kohärenz (wieder) zu eigen machen.


Das Herz mag gerne flexibel und harmonisch arbeiten. 

Es möchte auf anregende Reize - positive wie negative - schnell reagieren und Hinweise wie "Jetzt ist alles gut. Runterfahren!" genauso geschwind verarbeiten.
Das Intervall zwischen den Herzschlägen variiert deswegen ständig. So passt es sich den Erfordernissen an. Ist das Herz gesund, wechseln sich kurze und lange Herzschläge harmonisch wellenförmig ab: "Noch ein bissel mehr... noch ein bissel mehr .... jetzt passt's.... ein bissel weniger... ein bissel weniger... ein bissel weniger... jetzt passt's... bleiben... ein bissel mehr... ein bissel mehr... " Diese achtsame Feineinstellung nennt man Kohärenz (Zusammenhang). In Folge wird von einer hohen Herzratenvariabilität gesprochen.

Ungünstig ist der Zustand, der als Chaos bezeichnet wird. Dabei wechseln sich die Schlaglängen rüde ab: ein paar ganz schnelle, dann gleichsofort ein paar laaangsaame, was statt einer wohligen Welle ein zackiges Bild zeichnen würde. Das strengt an.

Hetzen wir uns recht gestresst durchs Leben, ohne ab und zu runterzufahren, verfällt das Herz in den Chaosmodus. Wir trainieren dem Herzen damit seine Variabilität regelrecht ab. Ganz gefährlich wird es, wenn es gar nicht mehr reagiert: bei einer platt-stillstehenden Herzratenvariabilität wird es sehr möglich, dass es einfach stehenbleibt.

Im welligen Fluss der Herzratenvariabilität kann es sich aber viel besser und energiesparender an Veränderungen anpassen!

Und schon auf kleinste Gefühlsschwankungen reagieren, die im gesamten System wirken. Darf es das nicht, haben es einige Störungen leichter, sich einzunisten, z.B. Bluthochdruck, funktionelle Herzbeschwerden, Angstattacken. Dem Immunsystem tut eine eingeschränkte Anpassung auch nicht gut.

Übung: Das Herz in Balance bringen


Ich zeige dir - ein wenig angepasst - eine Mental-Übung, die das Heart-Math-Institute in Kalifornien entwickelt und erforscht hat.

Dabei ist es nicht so wichtig, die Pulsfrequenz zu senken, sondern Kohärenz zu erzeugen, eine wohlige Welle im Auf und Ab zu zeichnen.

Dann ist das Herz in Balance.

Dann wär' es wieder laut, damit man es versteht. 
Dann riefe es, bis man ihm folgen müsste.
Und schämt sich nicht zu rufen.
Es will das Schönste haben. Manchmal ruft es "Nein!".
Man kann den Mächten, die das Herz erschufen, von Herzen dankbar sein.
(frei nach Erich Kästner)

Los geht's, lieber Hirnbesitzer!
  1. Halt inne, und beobachte deine Gefühle.

  2. Besinne dich und benenne, was dich im Moment bedrückt.
  3. Lege eine Hand auf dein Herz.
  4. Konzentriere dich fühlend auf diesen Bereich.
    Stell dir vor, du würdest durch dein Herz atmen.
    Beobachte dein Herz dabei wie ein Kind, das friedlich spielt.
  5. Hol dir aus deiner inneren Schatzkiste jemanden, der dir das Gefühl bedingungsloser Liebe und Wertschätzung entgegenbringt. Egal, ob Kind, (Tanz-)Partner, Katze, ...
    Oder eine Situation, in der du glücklich und ganz bei dir warst.
    (Tipp: Sammle solche Szenen!)
  6. Bleibe mindestens 15 Sekunden in diesem wohligen Gefühl und spüre, wie es sich ausbreitet.
Natürlich stellen sich dauerhafte Erfolge nicht von jetzt auf gleich ein. Aber wenn du eine Zeitlang konsequent dreimal täglich übst, wirst du merken, wie du dein Herz immer schneller in Kohärenz bringst. Adrenalin- und Cortisolspiegel balancieren sich aus. Mittelfristig füllen sich deine Speicher, deine Lebenslust steigt.

Auch dein vielleicht zu hoher Blutdruck könnte sich verträglichen Gefilden niederlassen, bevor du medikamentenpflichtig wirst oder die Wirkung der Blutdrucksenker unterstützen. (siehe Betablocker - Adiós corazón?)

Welche Sprache sprechen Herzen? 

Obacht, jetzt zum Abschluss wird's wissenschaftlich ein bissele fragwürdig. Aber vielleicht magst du's einfach als schönes Bild benutzen. Mir hat's beim Tangotanzen schon oft geholfen:

Das elektromagnetische Feld des Herzens sei das größte im menschlichen Körper. Messen könne man es meterweit. So wirke es auf die Hirnwellen der Mitmenschen, um sich mit ihnen zu synchronisieren. Eine elektromagnetische, unkomplizierte Sprache, die in archaischen Zeiten bestimmt manches Überleben sicherte und heute den Tango lebendig schimmern lässt.


HERZliche Grüße, bis bald!
Manuela Bößel 

zum neuen Blog: www.tangofish.de

Quellen / mehr zu diesem Thema:
https://www.heartmath.org/research/research-library/clinical/coherence-nonpharmacological-modality-for-lowering-blood-pressure-in-hypertensive-patients/
https://www.heartmath.org/resources/heartmath-tools/

Kommentare

  1. "Herz an Großhirn: Schalt endlich ab!" (frei nach Otto)

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    1. Lieber Peter,

      ganz abschalten erscheint mir suboptimal ;)
      Im Gemüsemodus wird's schwierig, z.B. die Fahrt zur Milonga zu organisieren, geschweige denn, Auto zu fahren.
      Wie wär's, das Großhirn ab und zu mal zu parken? Zum Spielen schicken geht auch. Oder auf den Jägerstand setzen, da darf es mit dem Fernrohr gucken und a bissele aufpassen.

      Herzliche Grüße,
      Manuela

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Aktualisiert am 15.10.19